Pilz des Monats Dezember 2024 - Sieb-Erdstern (Myriostoma coliforme)
Der heutige PIlz des Monats ist ein kurzer und knapper Pilz des Monats - und er wird nur mit einem Foto illustriert. Es ist ein Foto des Sieb-Erdsternes, und zwar aus der Algarve (Portugal) östlich von Silves. Zumindest was die Optik betrifft zählt dieser Fund zu den absoluten Highlights unserer diesjährigen Winter-Exkursionsfahrt. Da diese immer noch nicht beendet ist, habe ich mich heute für einen wenig aufwändigen Pilz des Monats entschieden. Erst in ein paar Tagen geht es auf die Heimfahrt, und bis dahin nutzen wir fast jede Minute für mykologische Arbeit hier vor Ort.
Der Sieb-Erdstern in der Algarve war für uns ein absoluter Überraschungs-Fund, und das, obwohl wir die Art aus einem Gebiet in Spanien kennen (Nationalpark Monfrague), und obwohl wir uns durchaus schon dachten, dass die Art auch in der Algarve vorkommen könnte. Fündig wurde Katharina, die sich entschied, den Innenraum unter einem alten Johannisbrotbaum (Alfarroba, Ceratonia siliqua) aufzusuchen. Dort prangten 5 zwar nicht mehr absolut frische, dafür aber immer noch sehr ansehnliche Fruchtkörper.
Wie andere Erdsterne liebt auch der Sieb-Erdstern nährstoffreiche Standorte - am Liebsten solche, die sozusagen von Natur aus nährstoffreich sind. Das sind nicht etwa von Gülle und Kunstdünger betroffene Bereiche, sondern z.B. Wuchsorte von Pflanzen (vor allem Gehölzen), die selbst für diesen Nährstoffreichtum sorgen. Oder sagen wir - nicht ganz selbst, sondern indem sie anderen Organismen, die dies bewerkstelligen können, Lebensraum bereit stellen. Schmetterlingsblütler (Fabaceae) haben nämlich ganz besondere "Untermieter", die Rhizobien. Das sind Bakterien, die etwas bewerkstelligen können, was sonst in der Natur nur durch große Energie-Entladungen (Blitze!) geschehen kann, nämlich die Umwandlung von molekularem Luft-Stickstoff (N2 - dies ist eine sehr stabile, nahezu "unangreifbare" Substanz) in pflanzen-verfügbaren Ammoniak.
Sieb-Erdstern (Myriostoma coliforme) am 16.11.2024 bei Silves (Portugal, Algarve), unter altem Johannisbrotbaum (Ceratonia siliqua, Fabaceae) in der Streuschicht, 5 Frk., leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner |
Seit gut einem Jahrhundert kann dies auch der Mensch - dies nennt man das Haber-Bosch-Verfahren. Anfangs ein großer Segen für die Welternährung, ist es leider sehr dabei, sich in einen Fluch zu verkehren. Sie kennen sicherlich die Stichworte Überdüngung und Verlust der Artenvielfalt, Nitrat im Grundwasser u.a.
In Deutschland gibt es dieses Phänomen auch - seltene Erdsterne kommen gerne in Robinien-Pflanzungen vor. Auch der Sieb-Erdstern, der in Deutschland über 100 Jahre verschollen war, wurde vor einigen Jahren unter Robinien im Stadtgebiet Mannheim wieder entdeckt, wo ich die Art auch selbst finden konnte (nach einem Tipp von Pablo Schäfer, Erstfinder war Bernhard Örtel gewesen).
Pilz des Monats November 2024 – Ahorn-Rindenbecherchen (Pezicula acericola)
Mitten in der Pilzsaison gibt es immer viel zu tun und es ist nicht viel Zeit für einen sehr ausführlichen Pilz des Monats. Deshalb heute nur ein kurzer – die nicht eben vollständige Darstellung eines Becherlings-Fundes vor etwa einer Woche, im Zuge einer Auftrags-Kartierung für die Heinz-Sielmann-Stiftung auf der östlichen Schwäbischen Alb bei Weißenstein. Von dort habe ich schon einmal einen Pilz des Monats vorgestellt: den Fleischroten Holz-Trichterling (Clitocybe americana).
Das Rindenbecherchen (den deutschen Namen habe ich von Ingo Wagners Website asco-sonneberg.de) wuchs an einem liegenden Ast von Bergahorn (Acer pseudoplatanus), der fast über und über mit dem Pilz besetzt war. Ich kannte den Pilz schon von früher her, hatte ihn aber länger nicht mehr gefunden. Deshalb gab es auch nur eine kurze mikroskopische Prüfung, die keine Gegenargumente zur Zuordnung ergab. Die teils sehr großen Sporen (einzelne überschritten 40 µm Länge knapp) waren großenteils noch einzellig, nur vereinzelt konnten einzelne Septen gesehen werden, was für eine noch nicht vollständige Reife spricht.
Ahorn-Rindenbecherchen (Pezicula acericola) am 14.10.2024 bei Lauterstein-Weißenstein (Baden-Württemberg, Kreis Göppingen), Schutzgebiet der Heinz-Sielmann-Stiftung, MTB 7225/3, 659 m NN, GPS: N48°42'19.18" E9°54'14.74", an liegendem Stömmchen von Bergahorn (Acer pseudoplatanus) in Laubmischwald über Jura-Kalk (Tendenz zum Fraxino-Aceretum pseudoplatani und Hordelymo-Fagetum), leg., det., Fotos Lothar Krieglstiener |
Besonders schön bei dieser (und bei anderen) Art der Gattung Pezicula ist der schön große hemiamyloide Apikalapparat der Asci. Wer sich einmal hemiamyloide (d.h. mit Lugol oder Baralscher Lösung rot färbende – in Melzer würde es auch hier blau werden) Apikalapparate ansehen möchte, für den ist Pezicula die richtige Wahl.
Ahorn-Rindenbecherchen (Pezicula acericola) am 14.10.2024 bei Lauterstein-Weißenstein (Baden-Württemberg, Kreis Göppingen), Schutzgebiet der Heinz-Sielmann-Stiftung, MTB 7225/3, 659 m NN, GPS: N48°42'19.18" E9°54'14.74", an liegendem Stömmchen von Bergahorn (Acer pseudoplatanus) in Laubmischwald über Jura-Kalk (Tendenz zum Fraxino-Aceretum pseudoplatani und Hordelymo-Fagetum), leg., det., Fotos Lothar Krieglstiener - die Bilder zeigen Asci mit lebenden, ölreichen Sporen. Septen sind nicht erkennbar - die Sporen sind im Ascus einzellig und zweireihig angeordnet. |
Ahorn-Rindenbecherchen (Pezicula acericola) am 14.10.2024 bei Lauterstein-Weißenstein (Baden-Württemberg, Kreis Göppingen), Schutzgebiet der Heinz-Sielmann-Stiftung, MTB 7225/3, 659 m NN, GPS: N48°42'19.18" E9°54'14.74", an liegendem Stömmchen von Bergahorn (Acer pseudoplatanus) in Laubmischwald über Jura-Kalk (Tendenz zum Fraxino-Aceretum pseudoplatani und Hordelymo-Fagetum), leg., det., Fotos Lothar Krieglstiener - die Fotos zeigen tote Sporen in Baralscher Lösung (o.) und Wasser - im ersten Foto sind alle kleinen Öltropfen zu einem großen zusammen geflossen (einzellig), das untere Foto zeigt eine 7-zellige Spore mit 5 Septen, was meist erst mit dem Absterben der Spore und dem Zusammenfließen der kleinen Tropfen sichtbar wird. |
Ahorn-Rindenbecherchen (Pezicula acericola) am 14.10.2024 bei Lauterstein-Weißenstein (Baden-Württemberg, Kreis Göppingen), Schutzgebiet der Heinz-Sielmann-Stiftung, MTB 7225/3, 659 m NN, GPS: N48°42'19.18" E9°54'14.74", an liegendem Stömmchen von Bergahorn (Acer pseudoplatanus) in Laubmischwald über Jura-Kalk (Tendenz zum Fraxino-Aceretum pseudoplatani und Hordelymo-Fagetum), leg., det., Fotos Lothar Krieglstiener - die Fotos zeigen Apikalapparate der Asci in Baralscher Lösung, rot angefärbt und hemiamyloid. Nur wenige Becherlinge haben so große und dazu hemiamyloide Apikalapparate. Der apikale Porus muss starke Dehnungen ertragen, wenn die Sporen abgeschossen werden - Strukturen, die von Polysacchariden gebildet werden. Bei vielen Arten reagieren diese eu-amyloid (blau - so wie die Stärke: Amylon), nur relativ wenige sind hemiamyloid, andere (viele) reagieren jod-negativ. Die hemiamyloide Reaktion wird durch Chloralhydrat (Melzers Reagens) unterdrückt, was zu einer blauen Reaktion führt. |
Ahorn-Rindenbecherchen (Pezicula acericola) am 14.10.2024 bei Lauterstein-Weißenstein (Baden-Württemberg, Kreis Göppingen), Schutzgebiet der Heinz-Sielmann-Stiftung, MTB 7225/3, 659 m NN, GPS: N48°42'19.18" E9°54'14.74", an liegendem Stömmchen von Bergahorn (Acer pseudoplatanus) in Laubmischwald über Jura-Kalk (Tendenz zum Fraxino-Aceretum pseudoplatani und Hordelymo-Fagetum), leg., det., Fotos Lothar Krieglstiener - die teils verzweigten Paraphysen färben sich in Jod-Reagentien (hier Baralsche Lösung) stark rotbraun an. |
Ahorn-Rindenbecherchen (Pezicula acericola) am 14.10.2024 bei Lauterstein-Weißenstein (Baden-Württemberg, Kreis Göppingen), Schutzgebiet der Heinz-Sielmann-Stiftung, MTB 7225/3, 659 m NN, GPS: N48°42'19.18" E9°54'14.74", an liegendem Stömmchen von Bergahorn (Acer pseudoplatanus) in Laubmischwald über Jura-Kalk (Tendenz zum Fraxino-Aceretum pseudoplatani und Hordelymo-Fagetum), leg., det., Fotos Lothar Krieglstiener - Exzipulum (Gehäuse) von textura globulosa (d.h. aus runden Zellen aufgebaut) |
Eine weitere recht häufige Art der Gattung wächst an Hainbuche (P. carpinea), auch sie wächst oft in großer Zahl und färbt ganze Äste gelb. Die Gattung ist noch artenreicher und große ölreiche Sporen sind ein weiteres typisches Merkmal, ebenso wie ein Exzipulum von textura globulosa und mit Jodreagentien stark rotbraun färbende Paraphysen; P. acericola hat Asci mit Haken (von mir nicht photographiert).
Pilz des Monats Oktober 2024 – Taiga-Täubling (Russula taigarum)
Täublinge (Russula) sind zweifellos sehr schöne Pilze – und ebenso zweifellos sind milde Täublinge sehr gute Speisepilze, sofern sie festes Fleisch aufweisen und gut angebraten werden, gewürzt mit etwas Salz und Pfeffer. Es gibt auch zahlreiche makroskopisch gut kenntliche Täublingsarten, für deren Identifikation ein Mikroskop nicht nötig ist, und in so manchem Fall hilft auch die Ökologie (Bäume in der Umgebung, Boden-Azidität u.a.) bei der Eingrenzung mit. Täublinge gehören sicher auch zu den Pilz-Gattungen, die vergleichsweise bereits sehr gut bearbeitet sind und zu deren Bestimmung eine Menge teils sehr guter Literatur zur Verfügung steht.
Trotzdem gehört die mikroskopische Bearbeitung von Täublings-Proben nicht zu meinen Lieblings-Beschäftigungen bzw. sind Täublinge nicht eine meiner Lieblings-Gattungen. Auf der anderen Seite sind Täublinge bei Pilz-Freunden sehr beliebt – und als Freiberufler, der sich u.a. von Pilzkursen ernährt, gehören Täublings-Kurse für Anfänger zu den Pflicht-Veranstaltungen, zu den Kursen, die man fast jedes Jahr einigermaßen voll bekommt. Auch in Bezug auf mein zweites Standbein, mykoloigsche Biodiversitäts-Erfassungen, gehören sie zu den wichtigen Gattungen, zumindest bei manchen Aufträgen, wenn Standorte mit Ektomykorrhiza-Gehölzen das Untersuchungsgebiet sind.
So gehört es auch zu meinem Pflichtprogramm, in dieser Gattung auf dem Laufenden zu bleiben und immer wieder im Gelände unklare Kollektionen zu photographieren und ein Exsikkat anzufertigen, um sich in der freien Zeit (meist nur im Winter …) näher mit ihnen zu beschäftigen.
Dadurch, dass in den letzten Jahren Täublingsexperte Felix Hampe mehrmals als Gastdozent in der Pilzschule Schwäbischer Wald zu Gast war, um in Ruppertshofen seine schönen mikroskopischen Täublingskurse anzubieten, hat es sich ergeben, dass Felix dankenswerter Weise immer wieder bereit ist, sich zunächst Fotos meiner Funde anzusehen und Tipps zu geben, die dann natürlich einfacher verifiziert (oder auch einmal falsifiziert) werden können.
So ging es auch in diesem Fall. Die Aufsammlung aus einem traumhaft schönen, anmoorigen, sauren, aber basen-angereicherten Nadelwald im mittleren Norwegen konnte ich im Gelände überhaupt nicht richtig eingrenzen – der (nahezu völlig) milde Geschmack der kräftigen, festen Fruchtkörper in Kombination mit den deutlich rot überfärbten Stielen ließen mich ganz entfernt an Russula olivacea ((Rotstieliger Ledertäubling) denken, was aber weder farblich noch ökologisch auch nur annähern passt, oder auch an einen Heringsäubling, aber weder der typische Geruch (ich notierte „unauffällig“) noch das typische Bräunen wollten sich einstellen.
Taiga-Täubling (Russula taigarum) am 09.07.2022 in Norwegen, Trøndelag, Breide s. Snasa, 107 m NN, GPS: N64°12'19.05" E12°16'9.81", unter Fichte (Picea abies) in anmoorigem, örtlich basenreichem, sauer-feuchtem Fichtenwald, Gruppe, leg. Katharina & Lothar Krieglsteiner, det. L. Krieglsteiner nach Tipp von Felix Hampe (anhand der Makro-Fotos), Foto Lothar Krieglsteiner - ein kräftiger, milder, roter Täubling mit rotem Stiel und recht blassen Lamellen (Sporenpulver konnte leider nicht gewonnen werden). |
Taiga-Täubling (Russula taigarum) am 09.07.2022 in Norwegen, Trøndelag, Breide s. Snasa, 107 m NN, GPS: N64°12'19.05" E12°16'9.81", unter Fichte (Picea abies) in anmoorigem, örtlich basenreichem, sauer-feuchtem Fichtenwald, Gruppe, leg. Katharina & Lothar Krieglsteiner, det. L. Krieglsteiner nach Tipp von Felix Hampe (anhand der Makro-Fotos), Fotos Lothar Krieglsteiner - Beachten Sie die teilnetzigen Sporen (erste 2 Bilder), die reichlichen keuligen Pileozystiden (folgende 3 Bilder) und die septiert-zuspitzenden Grundhyphen der Huthaut ("Haare" - in Kongorot mit Ammoniak, letzte Tafel). Primordialhyphen enthält die Huthaut des Taiga-Täublings nicht. |
Als ich meine Fotos später Felix zeigte, sagte er zunächst „herzlichen Glückwunsch“, bevor er seinen später mikroskopisch von mir verifizierten Tipp äußerte. Mikroskpisch typisch sind die teilnetzigen Sporen, die zahlreichen keuligen Pilzeozystiden und keulige bis zuspitzende Haare.
Der Taiga-Täubling ist ein Mykorrhizapilz der Fichte und in Skandinavien wohl keine extrem seltene Art („scattered occurence“ nach den Erst-Autoren), obwohl sie erst 1990 durch Routsolainen und Vauras neu beschrieben wurde. Die von den Autoren gegebene Verbreitungskarte enthält ca. 40 Fundpunkte, von denen die meisten in Finnland, einige in Schweden und nur wenige in Norwegen gelegen sind. Auch in Deutschland ist der Taiga-Täubling nachgewiesen, und zwar in einem montanen Moorwald im Harz (NSG „Kramershai“ – vgl. z.B. hier: Pilzjahr 2013 im Harz - mein Rückblick - Pilze Allgemein - Pilzforum.eu). Nach Mitteilung von Felix Hampe (nündl. Mitteilung) Ist der Fundort allerdings durch Forst-Arbeiten zum Erlöschen gebracht worden.
Beim nächsten Mal denke ich, kann ich die Art auch selbst im Wald erkennen – im kommenden Jahr planen wir Skandinavien wieder einen Besuch abzustatten 😊
Pilz des Monats September 2024 – Schildfarn-Haarbecherchen (Incrupila aspidii)
Anlass für die heutige Vorstellung dieses Becherlings ist eine reichliche Kollektion aus den französischen Seealpen in diesem Sommer. Erstmals fand ich die Art an Lanzen-Schildfarn (Polystichum lonchitis), einer mehr im höheren Gebirge verbreiteten Farn-Art. Vorher war ich nur an der Schwester-Art, dem Lappen-Schildfarn (P. aculeatum) fündig geworden und hatte noch kaum Fotos in meiner Sammlung (Ausnahme: ein Makrofoto von einem Fund aus Kroatien) – alle bisherigen Funde waren auch nur spärliche Aufsammlungen gewesen (so in Slowenien und Kroatien, auf der Schwäbischen Alb und im Schwäbischen Wald). P. lonchitis ist als Substrat für I. aspidii aber keinesfalls neu, ein Synonym der Art ist Hyaloscypha lonchitidis Velen.
Kleine inoperculate Becherlinge an Farnresten unterschiedlicher Art gibt es eine ganze Menge (Beispiele: Psilachnum chrysostigmum, Urceolella carestiana s.l.,, Microscypha grisella, Calycellina flaveola u.a. - auch polyphage Arten wie Cyathicula cyathoidea s.l. kommen an Farnresten vor).. Interessanter Weise scheint keine von ihnen (häufiger) auf Schildfarn (Polystichum) vorzukommen, jedenfalls gelang mir nie der Fund einer dieser oder anderer Arten außer Incrupila aspidii auf dieser Wirtsgattung. Auf der anderen Seite scheint I. aspidii aussschließlich Polystichum zu besiedeln. So kann die Art an ihrem Wirt gezielt gesucht werden, wo sie nicht allzu selten zu sein scheint (auf pilze-deutschland gibt es allerdings nur sehr wenige Fundpunkte). Die Kenntnis der heimischen Pflanzenwelt ist nicht nur bei der Bearbeitung parasitischer Pilze, sondern auch bei vielen Saprobionten sehr hilfreich und notwendig.
Schildfarn-Haarbecherchen (Incrupila aspidii) am 7.8.2010 Kroatien, Dinarisches Gebirge, Mala Kapela, Nationalpark Plitvicka jezera, Urwaldgebiet Corkova Uvala, an Lappen-Schildfarn (Polystichum aculeatum) in montanem Buchen-Tannenwald, in Doline mit kleinen Kalkfelsen, ca. 850 m NN (Fotos ohne GPS-Daten), leg., det. Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner |
Schildfarn-Haarbecherchen (Incrupila aspidii) am 26.06.2024, Frankreich, Provence-Alpes-Côte d'Azur, Natioanlpark Mercantour (ö.), Mesches, 1615 m NN, GPS: N44°4'0.86" E7°29'47.33", an Blattwedeln von Lanzen-Schildfarn (Polystichum lonchitis) in subalpinem Lärchenwald, leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner |
Mikroskopisch ist die Art schon durch ihre auffälligen, stark inkrustierten und gekrümmten Haare eindeutig gekennzeichnet, dazu kommen die kleinen, kommaförmigen Sporen. Ein „No-Brainer“ sozusagen. Aber warten wir es ab – vielleicht wird die Art ja auch noch genetisch aufgespalten ….
Pilz des Monats August 2024: Grünerlen-Hellspor-Schleimtrüffel (Alpova diplophloeus)
Der heute vorgestellte Pilz des Monats ist vermutlich keine große Rarität, hat aber (zumindest typischer Weise) ein eng umgrenztes Wuchsgebiet, nämlich hochmontan-subalpine Grünerlengebüsche. Die buschförmig wachsende Grünerle (Alnus alnobetula, vormals besser unter A. viridis bekannt) hat einige ganz eigenstöndige Mykorrhizapilze, von denen ich einen erstmals auf der diesjährigen Exkursionsfahrt finden konnte: Alpova diplophloeus, die „Kleinsporige Schleimtrüffel“, wie sie im Netz fast allein auf deutsch bezeichnet gefunden wird. Allgemein fällt auf, dass es nicht allzu viele Internet-Verweise zu A. diplophloeus gibt.
Erstmals gezeigt wurden mir persönlich subalpine Grünerlen-Pilze von Pierre-Arthur Moreau (Universität F-Lille, vgl. z.B. (18) Pierre-Arthur Moreau (researchgate.net)) in CH-Graubünden (Umgebung von Albula), wo ich Anfang September im Jahr 2004 an einem Kurs der ETH-Zürich teilnahm, in der damals aktuellen Hoffnung, eine Anstellung an der ETH bekommen zu können. Das hat nicht geklappt und es war vermutlich gut so – jemand mit Acquise-Erfahrung und Auslands-Stipendien wurde bevorzugt, unabhängig von der Pilzkenntnis. Jedenfalls war auch Pierre-Arthur da, denn er hatte die Stelle vorher und war dabei, nach Frankreich zu wechseln – und so war ihm an einer guten Nachfolge in seinem Sinne gelegen (an ihm lag die Entscheidung auch sicher nicht, und auch nicht an Prof. Horak, der zwar nicht beim Kurs dabei war, den ich aber vorher beim Vorstellungsgespräch in Zürich kennen gelernt hatte). Mit Pierre-Arthur, den ich schon seit den 1990er-Jahren, seit einem Myxo-Treffen in den französischen Savoyen (hier schließt sich der Kreis durch den aktuellen Fund) kennen gelernt hatte, kam ich schon damals sehr gut aus und in Graubünden zeigte Pierre-Arthur großen Einsatz und zog nach einem längeren Exkursiontag in andere Habitate noch eben in einigen Minuten die wichtigsten Grünerlenpilze aus einem Gebüschstück, darunter auch die Milchlinge L. lepidotus („Grauer Gebirgsmilchling“) und L. alpinus („Oranger Gebirgsmilchling“), die ich bis heute nicht wieder fand (so oft bin ich auch wirklich nicht in Grünerlenbeständen – eine Tatsache, die ich durchaus gerne ändern werde), und eben auch Alpova diplophloeus.
Alpova diplophloeus ist an seinen Standorten eigentlich kaum zu verwechseln. Sehr seltene Funde bei anderen Erlen-Arten im Flachland soll es geben (vgl. z.B. (vgl. Montecchi & Sarasini 2000: Funghi Ipogei d`Europa), mir ist so etwas nie in die Quere gekommen. Neben der Bindung an die (Grün)-Erle sind tatsächlich recht kleine Sporen (meine entsprachen den meist gefundenen Werten eher am unteren Rand) art-charakteristisch. Zwar gibt es mit A. microsporus eine weitere kleinsporige Art, die jedoch (vgl. Montecchi & Sarasini 2000) nicht bei Erlen vorkommt und einen anderen Peridien-Aufbau hat (das habe ich allerdings nicht überprüft).
Grünerlen-Hellspor-Schleimtrüffel (Alpova diplophloeus) am 13.07.2024 am Col du Glandon (Frankreich, Savoyer Alpen unweit Saint Jean d`Arves), 1774 m NN, GPS: N45°14'33.49" E6°10'10.80", in subalpinem Grünerlen-Gebüsch im nassen Schlamm an der Basis von/unter Grünerle (Alnus alnobetula, vormals besser bekannt als A. viridis), 3 Frk., leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Fotos Katharina Krieglsteiner (3 x unten rechs) sowie Lothar Krieglsteiner. Beachten Sie die Glebakammern mit olivfarbig gefülltem Sporenmasse-Material. Die frisch gesammelten, nassen Fruchtkörper (o.l.) wirken innen heller, aber auch verschwommener als die etwas angetrockneten bei den Studio-Fotos u.M. |
Alpova wird nun als Hellspor-Schleimtrüffel bezeichnet, und in der Tat steht die Gattung den „normalen“ Schleimtrüffeln (Melanogaster, die also zu Dunkelspor-Schleimtrüffeln werden müssen) recht nahe, beide gehören in Familie Paxillaceae (Boletales) – eine Tatsache, die kaum verwundern kann eingedenk der Tatsache, dass es unter Alnus auch eine besondere Vielfalt an Paxillus-Arten und noch den Erlengrübling (Gyrodon, ebenfalls Paxillaceae) gibt. Wie Melanogaster hat auch Alpova verschleimende Gleba-Kammern, im Gegensatz zu den etwas entfernter verwandten Wurzeltrüffeln (Rhizopogon, U.O. Suillineae, Boletales). Ein weiteres interessantes Detail, das man an einem meiner Fotos gut sehen kann, ist die Sterigmenzahl pro Ständer. Zwar ging es mir auch wie anderen Autoren (vgl. z.B. Gross, G. 1980: Über einige Alpova-Funden in den bayerischen Alpen. Z. Mykol. 46(1): 21-26), dass man von den Basidien in den verschleimten Kammern nicht mehr viel zu sehen bekommt, der gleiche Autor ist allerdings der einzige, bei dem ich diesbezüglich fündig wurde, nachdem ich in meinen Präparaten nach leichtem Quetschen zwar überall verstreute Sporen, teils aber noch Oktaden oder Dodekaden (also Ansammlungen von 8 oder 12 Sporen in einer Lage, die auf ein gemeinsames Siltzen auf einem Ständer hinweisen – und eben nicht was man sonst bei anderen Ständerpilzen meist findet Tetraden aus 4 Sporen). Auch Gross schreibt von meist (4)-8-(12) Sporen pro Basidie.
Grünerlen-Hellspor-Schleimtrüffel (Alpova diplophloeus) am 13.07.2024 am Col du Glandon (Frankreich, Savoyer Alpen unweit Saint Jean d`Arves), 1774 m NN, GPS: N45°14'33.49" E6°10'10.80", in subalpinem Grünerlen-Gebüsch im nassen Schlamm an der Basis von/unter Grünerle (Alnus alnobetula, vormals besser bekannt als A. viridis), 3 Frk., leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Fotos Katharina Krieglsteiner (3 x unten rechs) sowie Lothar Krieglsteiner. - Beachten Sie die kleinen, im durchfallenden Licht doch recht hellen Sporen. Im Gegensatz zu Melanogaster (Dunkelspor-Schleimtrüffel) weisen sie keinen durch Sterigmen-Reste gebildeten Appendix auf. Beachten Sie unten rechts im Teil-Foto die Anordnungen der Sporen zu Oktaden (u. Dodekaden) aus 8 (12) Sporen pro Ständer. |
Grünerlengebüsche sind nicht überall leicht zugänglich, und so fand ich auf der diesjährigen Tour überhaupt nicht sehr oft diesen Standort-Typ vor, und bei den wenigen Ausnahmen waren oft nur wenige schwierige Zugänge möglich. Grünerlengebüsche liegen oft an steilen, auch steinigen, dabei einigermaßen wasserzügigen Standorten auf meist basenreichem Boden. Die Triebe der sich von Grund auf buschig verzweigenden Stämme breiten sich bodennah aus („legföhrenartiger Wuchs“, vgl. z.B wikipedia) und bilden ein teils nur schwer zu durchquerendes Gestrüpp. Ein Grund sicher für viele, diese Standorte als Pilzgrund zu meiden. Alpova diplophloeus wuchs in einem straßennahen Grünerlen-Gebüsch in den Savoyer Alpen (Frankreich, unweit Saint Jean d´Arves). Von einem steinig abrieselnden Quellbach konnte ich mit steilen Schritten Zugang zu einer flacheren, steinigen und gleichzeitig schlammig-nassen Partie Grünerlengebüsch finden. Die drei Fruchtkörper wuchsen nahe an einer Ansatz-Stelle neuer Grünerlen-Triebe zum Boden und waren am exakten Fundort nicht photographierbar – ich erreichte diesen, nachdem mein „Scanner“ vom Boden aus angeschlagen hatte, also die Stelle mit den Pilzen, nur mit einem etwas akrobatischen Manöver, da zur Entnahme auch Zweige zur Seite gebogen werden mussten und der Standort wie gesagt schlammig nass war. Sobald geborgen, photographierte ich die Pilze in der Umgebung, und zu „Hause“ in unserer Unterkunft noch einmal. Zweifel hatte ich zu keinem Zeitpunkt an meiner Vermutung, Alpova diplophloeus gefunden zu haben, und die Art ist an ihrem Standort auch kaum zu verwechseln. Für mich der schönste Fund der diesjährigen Tour, obwohl es viel zu sehen gab, von dem auch noch das eine oder andere einmal Pilz des Monats werden könnte.
Neben Alpova diplophloeus fanden wir in den Savoyer Alpen an Grünerle weitere Pilze aus dem Bereich der Ascomyceten, so (neben banaleren Arten) z.B. Hymenoscyphus trichosporus, Rutstroemia alnobetulae sowie weitere z.T. noch zu klärende Funde, auf die ich zu anderer Gelegenheit vielleicht einmal zurück komme. Ein Wiederfund der Lactarius-Arten steht für mich persönlich auch noch aus, und schon dies zieht mich hoffentlich bald wieder einmal (hoffentlich dann bei guten Fruktifikations-Bedingungen) zu einem geeigneten Standort.
Pilz des Monats Juli 2024 – Spindelsporiger Schlammschüppling („Deconica“ subfusispora)
Den heute vorgestellten Pilz kenne ich seit dem 5. September 2018, als er bei einem Seminar an einem bekannten Exkursionsort im Schwäbischen Wald erstmals gefunden wurde. Fundort war eine vorher meist aufgrund der Nässe fast unzugängliche kleine Bachaue mit Schwarzerlen (Alnus glutinosa), die im Zuge des trockenen Sommers nahezu völlig ausgetrocknet war; in dem noch etwas feuchten Schlamm standen kleine hellbraune Lamellenpilze („LBM“s, die ich „en passant“ im Gelände zunächst vor allem aufgrund des Standortes für mögliche Erlenschnitzlinge (Naucoria), eventuell auch für Ackerlinge (Agrocybe), Schüpplinge (Pholiota s.l.) oder Häublinge (Galerina) hielt. Eine Art, die in Frage kam, fiel mir aber nicht ein, und ich habe ja durchaus einige Arten im Kopf 😊 Da die Pilze schon ein wenig ungewöhnlich aussahen, machte ich (was ja bei Kursen immer ein wenig schwierig ist) ein paar schnelle Fotos und nahm eine Probe zum Mikroskopieren mit.
Spindelsporiger Schlammschüppling („Deconica“ subfusispora) - Potpourri von Makro-Fotos: u.l.: 05.09.2018, Deutschland, Baden-Württemberg, Schwäbisch-Fränkischer Wald, Alfdorf-Hintersteinenberg, "Hafental", MTB 7124.1, 490 m NN, GPS: N48°53'24.79" E9°44'8.74", in schlammiger Flur unter Alnus glutinosa nahe Bachufer, derzeit ausgetrocknet, dort in weiten des Jahres Wasser stehend und Vorkommen von Wasserstern (Callitriche palustris s.l.), leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner (während PIlzkurs) - o.l. und M: daselbst am 18.9.2018, leg., det. , Foto Lothar Krieglsteiner - o.r., M.l.: 20.09.2020, Deutschland, Rheinland-Pfalz, Pfälzer Wald, "Moosbachtal" bei Dahn, MTB 6812.2, 237 m NN, GPS: N49°9'1.54" E7°44'57.84", an feuchtem Wegrand in Kontakt zu Sumpfgebiet mit Ohrweiden-Gebüschen und Torfmoos-Rasen, auf nackter, momentan ausgetrockneter, sandiger Erde auf saurem Boden, leg., det., Fotos Lothar Krieglsteiner (bei Pilzkurs) - u.r.: 10.10.2018, Deutschland, Sachsen, Mittelsächsisches Löss-Hügelland, Colditzer Forst w. Colditz, MTB 4842.3, 201 m NN, GPS: N51°8'1.78" E12°44'19.98", Schlammflur an Graben- und Wegrand unter Alnus, Carpinus, Quercus, Pinus u.a.. auf saurem Boden, an mehreren Stellen, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner (bei Pilzkurs) |
Unter dem Mikroskop war dann durch die glatten Sporen mit Porus sowie die Huthaut aus radialen Hyphen schnell klar, dass es eine andere Gattung sein musste, und so suchte ich den Fundort am 18.9. noch einmal auf, machte weitere Fotos und nahm eine weitere Probe. Der Pilz blieb allerdings zunächst unbestimmt. Nach vergeblicher Suche in Gattungen wie Agrocybe (da passt z.B. die Huthaut nicht), Pholiota s.l. und Galerina in den gängigen Werken (Horak, Funga Nordica, Ludwig u.a.) stieß ich erst bei Bon (1982: Cle monographique des especes Galero-Naucorioides, Documents Mycologiques 21(84): 1-84) schließlich erstmals auf Phaeogalera subfusispora, die makro- und auch mikroskopisch recht gut zu passen schien.
Spindelsporiger Schlammschüppling („Deconica“ subfusispora) - Potpourri der Mikro-Merkmale: alle vom Fund 05.09.2018, Deutschland, Baden-Württemberg, Schwäbisch-Fränkischer Wald, Alfdorf-Hintersteinenberg, "Hafental", MTB 7124.1, 490 m NN, GPS: N48°53'24.79" E9°44'8.74", in schlammiger Flur unter Alnus glutinosa nahe Bachufer, derzeit ausgetrocknet, dort in weiten des Jahres Wasser stehend und Vorkommen von Wasserstern (Callitriche palustris s.l.), leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner (während PIlzkurs) - o.l., o.r. Lamellenschneide mit Cheilozystiden, u.l.: Sporen - M r: Huthaut mit inkrustierendem Pigment - u.r.: Caulozystiden |
Die Fundortangabe „tourbieres en zone alpine“ sah ich etwas ambivalent, „Moor“ – o.k., aber alpine Stufe? Ich suchte weiter und stieß dann bei Horak (1987 (1986): Sydowia 39: 104-123) auf eine ebenfalls gut passende Darstellung (der Autor kombiniert die Art hier übrigens in die Gattung Galerina um – erstmals beschrieben wurde sie durch F.H. Møller1945 als Naematoloma, ein früherer Name für Hypholoma). Der Erstbeschreibung aus den arktischen Faroer-Inseln fügt Horak die Beschreibung eines Fundes aus den Ötztaler Alpen auf nacktem Hochmoor-Torf in der alpinen Zone auf 2280 m NN hinzu. Ferner untersuchte Horak auch den von ihm für identisch angesehenen Typus von Galerina subdecurrens A.H. Smith 1953, der aus einer Hochgebirgsregion in Nordamerika stammt (Mount Rainier National Park im Bundesstaat Washington - aufgeführt unter „zusätzliches untersuchtes Material“) – G. subdecurrens wird allerdings heute im Index of Fungi als eigenständiges Taxon beibehalten. Nun – wie auch immer, also ein arktisch-alpines Taxon, das für meine Funde nicht in Frage kommt? Wir werden sehen … -
Wenig neue Information, aber eine neue Kombination nach Deconica, bietet die Strophariaceae-Monographie von Noordeloos (2011, Fungi Europaei) – diese erfolgt ohne allzu viel unnötige Begründung und trotz des für die Gattung doch sehr hellen (wenn auch dort durchaus variablen) Sporenpulvers. Die Einstufung in Deconica wurde dann übernommen von Hausknecht (2013, in Österr. Zeitschr. f. Pilzkunde 22, 2013), der eine ausführliche Beschreibung mit Fotos und Zeichnungen beisteuert, die meine Zweifel an der richtigen Zuordnung ausräumten. Unter der Rubrik „Habitat“ gibt Hausknecht an: „in anmoorigem Gelände, auf der Böschung eines Entwässerungskanals, teilweise bei Moosen, ca. 1720 m s. m. (WU 09680), was erneut auf einen (sub)alpinen Standort schließen lässt, unter „untersuchte Kollektionen“ zählt er aber mehrere Funde ohne Meereshöhen-Angaben auf, die sich beim Googeln der Ortsangaben wenigstens zum großen Teil als collin-submontane Standorte im Norden Österreichs und fernab der Alpen heraus stellen.
Inzwischen hatte ich den Pilz auch in Sachsen (noch im Oktober 2018), ebenfalls, auf schlammigem Sandboden an boden-verdichttetem Waldweg in dort nahezu ausgetrocknetem feuchtem Mischwald (örtlich Erle, Kiefer u.a.)., in Rheinland-Pfalz (an feucht-schlammigem Wegrand am Rand eines sauren Sumpfgebietes mit Strauchweidengebüschen – dort wachsen mit z.B. Lactarius aspideus, Russula subrubens und Cortinarius uliginosus weitere pilzliche Besonderheiten) sowie in Nordrhein-Westfalen (an Wegpfütze im Nationalpark Eifel) gefunden. Allen Fundorten gemein ist der nasse Standort über mehr oder weniger saurem Boden, der zum Zeitpunkt der Fruchtkörperbildung fast, aber nicht vollständig trocken gefallen war.
Anlass für die heutige Vorstellung als Pilz des Monats ist der vor wenigen Wochen erschienene Artikel von Alexander Karich im jüngsten Boletus (45/1, 2024, S. 3-13, mit dem Titel: Deconica subfusispora – ein seltener Blätterpilz auf der Suche nach einer Gattung). Ich hatte auch geplant, einmal einen regulären Aufsatz über die Art zu machen und deshalb eine Vorstellung als Pilz des Monats bisher vermieden. Nun aber besteht dazu kein Anlass mehr. Karich beschreibt die Art sehr gut anhand von Makro- und Mikrofotos, die sehr gut zu meinen Aufsammlungen passen. Karich wurde fündig in trockengefallenen Feuchtgebieten, auf feuchtem Schlammboden (2019 und 2022 in Brandenburg und Sachsen), also besteht gute Übereinstimmung nicht nur in Habitus und Morphologie (auf eine ausführliche Darstellung über die Foto-Tafeln hinaus verzichte ich hier), sondern auch in puncto Ökologie.
Karich ließ seine Aufsammlungen auch sequenzieren (auch von meinen ersten 3 Funden liegen Sequenzen vor, die ich noch nicht mit anderen verglichen habe) und erstellte einen DNA-Baum. Die Stellung in Deconica hat sich damit für künftig erübrigt und es sieht so aus, als ob die Art eine eigenen Gattung für sich bekommen müsste (vgl. Ausatz-Titel von Karich, s.o.), denn sie bildet ein eigenes Cluster, und zwar relativ fern von Deconica, Galerina und Phaeogalera, dafür aber nahe von Splittern der auseinander gefallenen Gattung Pholiota, nämlich besonders nahe am Erlen-Schüppling (Flammula alnicola), etwas weiter weg vom Safranroten Schüppling (ganz neu als Pyrrhulomyces astragalinus). Die neue Gattung habe ich sozusagen oben mit meinem deutschen Namensvorschlag schon vorweg genommen. Wir bleiben dran 😊
Pilz des Monats Juni 2024 – Schiefes Schwarzkorn (Nigrograna obliqua)
Ein deutscher Name existierte bis eben nicht – und hier habe ich einfach den wissenschaftlichen Namen ins Deutsche übersetzt. Nun – kleine schwarze Pünktchen auf Holz (oder krautigen, grasigen u.a. Substraten) sind normalerweise Pilze, die nur selten vorgestellt und auch nur von wenigen Spezialisten bearbeitet werden und ich denke, dies ist hier auch Premiere für meinen „Pilz des Monats“. Dabei schaue ich mir solche Pilze durchaus bei verschiedensten Projekten an, allerdings eher erst nachdem andere Pilzgruppen abgearbeitet wurden. So muss ich auch zugeben, dass ich diese Aufsammlung kaum hätte bestimmen können ohne Björn Wergens Handbuch der Ascomyceten, wo sie durch ein wenig Blättern und Sporengrößen-Vergleich (ich maß für meine Aufsammlung Sporen von 15-20 (24)/5-6,5 (7) µm) identifiziert werden konnte. Besonders freute ich mich, dass es mir zumindest bei einem Fruchtkörper gut gelang, das schief (Artname!) ansitzende Rostrum mit Ostiolum (verlängerte Öffnung) passend zu schneiden und passabel zu photographieren (vgl. Makro-Tafel).
Schiefes Schwarzkorn (Nigrograna obliqua) am 14.04.2024 im Garten Heidi Krieglsteiner in der Beethovenstr. 1 in Durlangen (Ostalbkreis n. Schwäbisch Gmünd, Baden-Württemberg, Deutschland), 502 m NN, GPS: N48° 51' 35,09'' E9° 47' 23,03'' , an berindetem, abgestorbenen Zweig an stehendem Schneeball (Viburnum rhytidophyllum) in Hausgarten, leg., det., Fotos Lothar Krieglsteiner - das Prägnanteste an den winzigen, weitgehend eingesenkten Ascomata sind die schief ansitzenden Schnäbel (Rostrum) mit Ostiolum - das Merkmal war Grundlage für die Wahl des wissenschaftlichen Artnamens. |
Schiefes Schwarzkorn (Nigrograna obliqua) am 14.04.2024 im Garten Heidi Krieglsteiner in der Beethovenstr. 1 in Durlangen (Ostalbkreis n. Schwäbisch Gmünd, Baden-Württemberg, Deutschland), 502 m NN, GPS: N48° 51' 35,09'' E9° 47' 23,03'' , an berindetem, abgestorbenen Zweig an stehendem Schneeball (Viburnum rhytidophyllum) in Hausgarten, leg., det., Fotos Lothar Krieglsteiner |
Bitunicate Pyrenomyceten (die Doppelwandigkeit sieht man auf dem Mikrofoto mit den unreifen Asci am Besten) sind heute in der Klasse Dothideomycetes zusammengefasst, die nicht ganz, aber doch zu einem guten Stück identisch ist mit der alten Bezeichnung Loculo-Ascomycetes mit ascolokulärer Entwicklung. Im Gegensatz zur ascohymenialen Entwicklung (so bei „normalen“ Pyrenomyceten, die in der Klasse Sordariomycetes zu finden) sind junge Primordien nicht hohl, sondern mit Zellen ausgefüllt, und der Raum für die wachsenden Schläuche entsteht erst durch Kollabieren dieser Zellen (vgl. u.a. Meike Piepenbring in ihrem Lehrbuch „Mykologie“, vgl. auch File:Abb3.101 Pilze Ascomycota Dothideomycetes Pseudothecium ascoloculär Perithecium ascohymenial Hamathecium 2021 (M. Piepenbring).png - Wikimedia Commons). Die Fruchtkörper von Bitunicaten sind demnach auch keine Perithezien (denen sie durchaus sehr ähnlich sehen), sondern der Definition nach Pseudothezien.
Die Erstbeschreibung (Voglmayr & Jaklitsch 2016, Studies in Mycology 85) basiert auf mehreren Funden aus Österreich und Frankreich, auf verschiedenen Laubholz-Substraten (angegeben sind Ribes uva-crispa, Salix caprea sowie Sambucus nigra und S. racemosa – also wilde Stachelbeere, Salweide sowie Schwarzer und Roter Holunder) – Wergen gibt nur „Laubholz, z.B. Salix“ an. Schneeball (Viburnum) scheint ein neues Substrat zu sein. Dabei ist interessant festzuhalten, dass sowohl Holunder als auch Schneeball heute in F. Adoxaceae (Moschuskrautgewächse – früher zu Caprifoliaceae, Geißblattgewächse) gehören.
Es wundert nicht, dass bisher nur ein Fundpunkt (in Niedersachsen) auf pilze-deutschland kartiert wurde. Leider enthält die Arbeit von Björn Wergen keine Funddaten und der Benutzer weiß nicht, wo eine Aufsammlung herstammt. Vermutlich liegt also eher kein Erstnachweis für Baden-Württemberg vor, da Björn Wergen als Leiter der Schwarzwälder Pilzlehrschau ja viel in diesem Bundesland arbeitet.
Pilz des Monats Mai 2024 – Weißes Moos-Zwergkeulchen (Bryopistillaria sagittiformis, = Ceratellopsis mucedinea ss. L. Krieglsteiner 1999)
Mit diesem Pilz des Monats publiziere ich erstmals seit meiner Dissertation wieder Funde aus einer Gruppe von kleinen Basidiomyceten, die nur äußerst gelegentlich von Pilzfreunden aufgesammelt werden. Wir betreten hier ein taxonomisches Minenfeld, das auch derzeit noch als weitgehend ungelöst betrachtet werden darf, wenn auch seit meiner Publikation von 1999 einiges an Neuem zu verarbeiten ist. Zunächst: die klassische Gattung Ceratellopsis enthält eine ganze Reihe nur ganz unvollständig bekannter und unzureichend in ihrer Variabilität ausgeleuchteter Taxa, die zunächst einmal charakterisiert werden können durch sehr kleine keulenförmige Holothezien (Basidiomata mit außen liegender Fruchtschicht und ± ohne sterile Oberfläche) mit ± weißlicher Färbung und monomitischem Aufbau (die durchaus sehr ähnliche Winzige Borstenkoralle Pterulicium gracile, besser bekannt als Pterula gracilis, fällt durch Skeletthyphen aus der Definition, Clavulinopsis- oder Clavaria-Arten mit ähnlicher Farbe u.a. durch ihre doch deutlich größeren Fruchtkörper).
In meiner Dissertation (L. Krieglsteiner 1999: Pilze im Naturraum Mainfränkische Platten und ihre Einbindung in die Vegatation habe ich verschiedene Ceratellopsis-Funde bekannt gemacht, und damals waren es die wohl ersten Nachweise von Pilzen aus dieser Gattung für Deutschland.
Neben der ebenfalls wenig bekannten C. aculeata, über die ich hier nicht viel weiter schreibe, habe ich 2 Funde von winzigen weißen Keulchen auf moosiger Baumborke unter dem Namen Ceratellopsis mucedinea (Boud.) Corner vorgestellt – damals mit Hilfe des Spezialisten Klaus Siepe, mit dem ich mich auch später noch immer wieder über solche Pilze ausgetauscht habe. Wie gesagt: moosige Baumborke, und schon damals fiel mir auf, dass diese Keulchen offenbar eine Beziehung zu Laubmoosen haben. In der Zwischenzeit gelangen mir weitere vergleichbare Funde solcher Pilze an Laubmoosen (z.B. auf der Schwäbischen Alb und in der Eifel) – ausführliche Dokumentationen (und Fotos über das Gezeigte hinaus) habe ich allerdings nicht vorliegen. Bis vor wenigen Wochen … (s.u.).
Wesentlich Neues erfährt man in der Arbeit von Olariaga & al. (2020: Phylogenetic origins and family classification of typhuloid fungi, with emphasis on Ceratellopsis, Macrotyphula and Typhula (Basidiomycota) – nämlich die Polyphylie der Gattung Ceratellopsis. Die Mehrheit der Proben gehört mit dem Gattungs-Typus C. aculeata (s.o. – auch von mir in Mainfranken gefunden) in Familie Clavariaceae der Agaricales (wie in mycobank korrekt geführt – im Index of Fungi landet man bei den Gomphaceae!), und auch Pterulicium gracile gehört in O. Agaricales (F. Pterulaceae).
Eine Ceratellopsis fällt jedoch heraus – und zwar wird diese auf Moosen gefunden und war als C. sagittiformis beschrieben worden. Für diese Art (zumindest wie dieses Patouillard`sche Taxon, von der nur ein Iconotypus vorliegt, von den Autoren interpretiert wird – sie wählen einen Lectotypus aus Estland an lebendem Pleurozium schreberi, Rotstängelmoos) wird eine neue Gattung Bryopistillaria beschrieben, und in Familie Rickenellaceae der Hymenochaetales transferiert – in dieser Gruppe stehen auch sonst Moos-Parasiten!).
Ein Vergleich zeigt: zumindest meine neue Kollektion (s.u.) gehört hierher – das zeigen u.a. die breiten Hyphen im Mark sowie die kurzen Zellen im Subhymenium – Merkmale, auf die früher nicht wirklich geachtet wurde), wie mit dem Schlüssel von Olariaga & al. leicht verifiziert werden kann. Zu C. sagittiformis schreiben die Autoren u.a.: „: The original plate of B. sagittiformis shows a fungus with a fertile apex, 2-spored basidia …“ sowie „ … we interpret B. sagittiformis as a species with obtuse fertile basidiomata at least when not extremely young, medulla hyphae 3–4 μm broad, lacking clamp connections and occurring usually, though apparently not strictly, on living mosses. .. It is possible that mosses are always present but not necessarily act directly as substrate for the basidiomata“. Das passt alles sehr gut zu all meinen bisher als C. mucedinea bestimmten Kollektionen (dieses Taxon wird von Olariaga & al. als vermutliches Synonym zu C. aculeata geführt). Ich fand neben 4-sporigen auch 2-sporige Ständer. Die Spitzen der Basidiomata sind im Großen und Ganzen fertil (wie dies auch Olariaga & al. für alle nicht absolut iuvenile Fruchtkörper konstatieren), wobei das oft schwer auszumachen ist, da reife Basidien ohnehin jung noch kaum gefunden werden können, die Form der unreifen Basidien (Basidiolen) durchaus variiert und die Zahl der gefundenen Sporen auch bei etwas älteren Keulen ziemlich gering ist. Basidien und Hyphen sind zumindest weitgehend schnallenfrei (ich fand bei den Funden in meiner Dissertation keine und auch bei meinem aktuellen Fund nicht). Und dass mein Pilzchen ein Moosbewohner ist, war mir immer aufgefallen. Auch nun – und damit zum aktuellen Fund, der Anlass für diese Darstellung und diesen Pilz des Monats war.
Weißes Moos-Zwergkeulchen (Bryopistillaria sagittiformis alias Ceratellopsis mucedinea ss. L. Krieglsteiner 1999) am 14.04.2024 im "Heidenbühl" bei Kaisersbach-Gmeinweiler (Rems-Murr-Kreis, Schwäbischer Wald, Baden-Württemberg; 488 m NN, GPS: N48°54'27.63" E9°40'34.98"), an Rand von unbefestigtem Waldweg über mäßig basenreichem Grund (unweit z.B. Calocybe gambosa), an kleiner Erdblöße inmitten von jungem Rasen von Kegelkopf-Lebermoos (Conocephalum conicum), auch an teils etwas angegriffenen Pflanzenteilen des Mooses, leg, det., Fotos Lothar Krieglsteiner |
Weißes Moos-Zwergkeulchen (Bryopistillaria sagittiformis alias Ceratellopsis mucedinea ss. L. Krieglsteiner 1999) am 14.04.2024 im "Heidenbühl" bei Kaisersbach-Gmeinweiler (Rems-Murr-Kreis, Schwäbischer Wald, Baden-Württemberg; 488 m NN, GPS: N48°54'27.63" E9°40'34.98"), an Rand von unbefestigtem Waldweg über mäßig basenreichem Grund (unweit z.B. Calocybe gambosa), an kleiner Erdblöße inmitten von jungem Rasen von Kegelkopf-Lebermoos (Conocephalum conicum), auch an teils etwas angegriffenen Pflanzenteilen des Mooses, leg, det., Fotos Lothar Krieglsteiner - beachten Sie die Kristalle im Mark (u.M.), die breiten Hyphen des Marks (in Kongorot, u.r.), die Basidien ohnen Schnallen (o.M., o.r.) sowie die Sporenform. |
Weißes Moos-Zwergkeulchen (Bryopistillaria sagittiformis alias Ceratellopsis mucedinea ss. L. Krieglsteiner 1999) am 09.01.1994, Main-Auenrest n. Himmelstadt (ggü. Abzw. Stetten, MTB 6024/4), an totem Ast von stehender Mandelweide (Salix triandra) in Ufergehölz (Salicetum triandrae), an und zwischen Laubmoosen (Amblystegium serpens), leg., det., Foto (Dia-Scan) Lothar Krieglsteiner |
Weißes Moos-Zwergkeulchen (Bryopistillaria sagittiformis alias Ceratellopsis mucedinea ss. L. Krieglsteiner 1999) am 09.01.1994, Main-Auenrest n. Himmelstadt (ggü. Abzw. Stetten, MTB 6024/4), an totem Ast von stehender Mandelweide (Salix triandra) in Ufergehölz (Salicetum triandrae), an und zwischen Laubmoosen (Amblystegium serpens), leg., det.,, Zeichnungen Lothar Krieglsteiner - obere Skizze Original, untere reingezeichnet für Publikation (aus L. Krieglsteiner 1999) |
Weißes Moos-Zwergkeulchen (Bryopistillaria sagittiformis alias Ceratellopsis mucedinea ss. L. Krieglsteiner 1999) am 11.12.2016 w. des "Neffgesbach" w. der Ruine Vogelsang ö. Schleiden-Gemünd öim Nationalpark Eifel (Nordrhein-Westfalen, MTB 5404/2, 410 m NN, GPS: N50°34'58.37" E6°26'23.93"), an indet. Laubmoos an Zweig von Prunus spinosa in Zweighaufen in Laubmischwald in Schluchtlage, leg, det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Weißes Moos-Zwergkeulchen (Bryopistillaria sagittiformis alias Ceratellopsis mucedinea ss. L. Krieglsteiner 1999) am 25.10.2022 am "Schloßberg" bei Lauterstein-Weißenstein (Gelände der Heinz-Sielmann-Stiftung, gefunden bei Auftrags-Kartierung - Schwäbische Alb, Baden-Württemberg, MTB 7225/3, 657 m NN; GPS: N48°42'15.24" E9°52'55.95"), an lebendem Laubmoos (Brachytheciaceae cf.) an morschem Laubholzstumpf in Laubmischwald über Malm-Kalk an Steilhang, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Als ich am 14. April (also vor genau 10 Tagen) an einem mir gut bekannten Waldweg im Schwäbischen Wald unterwegs war, sah ich an einer neu gestalteten Weg-Partie frisch gewachsenes Kegelkopf-Lebermoos (Conocephalum conicum). Da an diesem Moos auch andere spannende Pilze gefunden werden könnten, kniete ich mich hin und fand an einer kleinen Erdblöße innerhalb des Rasens tatsächlich Pilze, nämlich einige kleine weiße Keulchen, deren Identität mir eigentlich gleich klar war und sich mit dem Mikroskop bestätigte (von diesem Fund stammt die Tafel im Foto-Block). Erst zu Hause unter dem Bino stellte ich fest, dass auch einige der Keulchen an Unterseiten und Rändern von teils etwas angewelkten Lagern des Lebermooses zu finden waren. Interessant ist, dass meines Wissens bisher nur Funde an Laubmoosen bekannt sind (jedenfalls sind auch bei Olariaga & al. keine Funde an Lebermoosen erwähnt).
Eine gewisse Variationsbreite besteht in den Sporenmaßen. Im Zuge meiner Dissertation maß ich für C. mucedinea bei zwei Funden an moosiger Borke in Mainfranken einmal 6,8-7,2/3-3,2 µm (die geringe Spanne spricht für damals wenige gefundene Sporen) und einmal (5)5,5-6.5/(3)3,3-3,8 µm. Die Sporenform (Skizze aus meiner Diss im Foto-Block) passt gut zur aktuellen Kollektion, bei der Sporen von 5-6,5/3-3,5 (wenige Sporen bei den frisch gesammelten Keulchen) bzw. eine Woche später (einige Sporen mehr nach Lagerung in der Wohnung) von 6-8/3-3,8 µm gemessen wurden – im Vergleich dazu geben Olariaga & al. für B. sagittiformis Sporen von 4,5-6,5(8)/3-3,5(4) µm gemessen wurden – die etwas geringeren Maße (bei gut passender Sporenform) könnten auf die Messung toter Sporen im Exsikkat zurückzuführen sein (?).
Ein weiterer Punkt, der mich an der Bestimmung kaum mehr zweifeln lässt, ist die Tatsache, dass ich sowohl bei meinen alten wie bei meinen neuen Funden immer reichlich Kristalle im Fleisch der Keulchen fand (dies erwähne ich in meiner Diss und kann hier ein Foto beisteuern) – und auch in der Darstellung von Olariaga & al. sind diese Kristalle erwähnt.
So führt manchmal dann doch das Verstreichen von Zeit und das Abwarten neuer Publikationen dazu, dass sich das eine oder andere Problemfeld etwas aufklärt. Unschärfen bleiben. So zunächst zum Namen B. sagittiformis. „Sagitta“ bezeichnet auf lateinisch einen Pfeil, und ein Teil der Fruchtkörper ist auch relativ zugespitzt – andere und eher die Mehrzahl der Fruchtkörper sind aber meist stumpf. Auch Olariaga & al. bilden nur leicht zuspitzende und auch abgerundet-stumpfe Fruchtkörper ab und sie schreiben (s.o.) ja auch, die Keulen wären „obtuse“. Dieses Merkmal scheint also auch variabel zu sein – und einer meiner Funde (bei Weißenstein, vgl. Foto-Block) hat sogar ausgesprochen rundliche und nur teils etwas zuspitzende Keulchen, dürfte aber zur gleichen Art gehören. Fragezeichen bleiben auch und besonders in der übrig bleibenden Gattung Ceratellopsis und die Frage, wie viele Arten hier vorliegen, ist ziemlich offen. Aber dazu schweige ich heute lieber ….
Addendum: weitere nicht mit Fotos bestückte, aber belegte Funde:
Schwäbische Alb:
18.10.05 – D, BadenWürttemberg, Schwäbische Alb, MTB 7127/3, 590 m NN, ö. Aalen, Beuren, NSG „Dellenhäule“, an Resten von Hylocomium splendens (und Rhytidiadelphus squarrosus) unter Wacholder in ziemlich nährstoff-angereicherter Wacholderheide (Beleg 023/2006 – liegt im Herbar in Stuttgart mit der Bestimmung Ceratellopsis mucedinea).
Rhön (vgl. L. Krieglsteiner 2004) :
04.10.2001 – 5525/4 – Niedermoor nw. Oberweißenbrunn (Bayern), an lebenden Moosen (Climacium dendroides, Aulacomnium palustre, Sphagnum spec., Homalothecium nitens) in Molinietum über Muschelkalk (Beleg 1126/2001 Fungarium Krieglsteiner – Museum Stuttgart)
03.11.2001 – 5526/3 – Weinberg w. Weisbach (Bayern), Saum mit Brachythecium pinnatum an Südhang über Muschelkalk, an lebenden Laubmoosen in der Bodenstreu (Beleg 1061/2001 Fungarium Krieglsteiner – Museum Stuttgart)
Nach der Rhön-Publikation weitere Funde in der Rhön:
01.11.2004 – 5525/1 – bei “Heckenhöfchen” ö. Poppenhausen (Hessen), Wacholderheide, an Laubmoosen an Juniperus-Zweigen (Beleg 316/2004 Fungarium Krieglsteiner – Museum Stuttgart)
03.11.2004 – 5327/1 – 500 – Wiesenthaler Schweiz (Thüringen), an Moosen an Unterseite von Juniperus-Ast (Beleg 317/2004 Fungarium Krieglsteiner – Museum Stuttgart)
Rothaar-Gebirge:
28.8.1999 - 5016/3 "Kalkberg" b. Bad Laasphe (Nordrhein-Westfalen), moosiger anheftender Salix-Zweig (Beleg 010/2001 Fungarium Krieglsteiner – Museum Stuttgart)
Viel Erinnerung an alle diese Fundehabe ich nicht mehr, und auch keine Fotos oder Notizen. Ich gehe jedoch davon aus, dass alle zu Bryopistillaria sagittiformis gehören (alle zunächst bestimmt als Ceratellopsis mucedinea). Wenn es wahr ist, können sie im Museum Stuttgart gefunden werden 😊. Die aktuelleren Funde liegen alle noch im Privatherbar Lothar Krieglsteiner (das gilt im Wesentlichen für Funde ab 2014) – wie lange, das wird sich zeigen ….
Pilz des Monats April 2024 – Heidelbeer-Fruchtbecherchen (Monilinia baccarum)
Hin und wieder erlebt man bei Pilzkursen Überraschungen und überraschende Neufunde. Für die Region des Schwäbischer Waldes ist dies die vorgestellte Art, die ich (s.u.) aus dem Bayerischen Wald, dem Harz und aus Norwegen kenne (vor „heiligen Zeiten“ fand ich auch in der Rhön die Schwesterart M. urnula an Preiselbeere), aber im Schwäbischen Wald noch nie gesehen hatte – ich hätte irgendwie (warum nur?) gedacht, dass sie bei uns nicht vorkommt. Kursteilnehmer Tobias Traulich fand beim Kurs „Vorfrühlingspilze“ zwischen Torfmoos in einem örtlich sauren und feuchten Nadelmischwald mit Fichten und Tannen zunächst einen, dann weitere 2 Fruchtkörper ca. 2 m entfernt. Ich war gerade hingekniet, um etwas zu zeigen und die Teilnehmer waren alle in der Nähe. Weitere Fruchtkörper wurden nicht gefunden, auch nicht bei weiteren Exkursionen im Frühjahr 2024. Bis auf eine – ein einzelner älterer Fruchtkörper wuchs einige km entfernt vom Erstnachweis entfernt, bei Hönig, ebenfalls im Torfmoos unter Heidelbeeren. Katharina und vor allem ich hatten in dem durchaus torfmoos-reichen Gebiet mit Heidelbeeren durchaus intensiv gesucht. Vermutlich ist die Saison für den Heidelbeer-Fruchtbecherling für dieses Jahr zu Ende. Interessanter Weise wurde am Ort des Erstfundes bei Waldmannshofen auf der Kurs-Exkursion kurz darauf mit dem Heide-Flechtennabeling (LIchenomphalia umbellifera) ein weiterer erfreulicher Fund gemacht (ebenfalls auf Torfmoos als Unterlage). Das Vorkommen beider Arten deutet auf örtlich geringe N-Depositionen bei saurem Boden hin – ein heute selten gewordener und überall gefährdeter Zustand.
Warum überhaupt Torfmoos? Zunächst sei gesagt, dass unser Heidelbeer-Fruchtbecherchen, Monilinia baccarum (wie auch die verwandten heimischen Arten auf anderen Vaccinium-Arten wie M. urnula, s.o., oder M. oxycocci an Moosbeere – ferner gibt es eine M. vaccinii-corymbosi an kultivierten amerikanischen „Heidelbeer“-Arten), keineswegs in irgend einer Weise auf Torfmoos angewiesen ist. Die vorgestellten Funde aus Norwegen (trockene saure Böschung im borealen Fichtenwald), dem Harz (offene saure Böschung mit Buxbaumia aphylla an Weg durch Fichtenwald) sowie dem Bayerischen Wald (hoch bemooster Wegrand in Fichtenwald direkt nach der Schneschmelze (!)) zeigen kein Torfmoos auf dem Foto, sondern Begleitmoose sind (neben Buxbaumia aphylla, s.o.) niederwüchsige Polytrichum- oder Pogonatum-Arten (Norwegen, Harz) oder auch hochwüchsige Moosfilze mit dort v.a. Rhytidiadelphus loreus (Riemenstängel-Kranzmoos) und Polytrichum formosum (Schönes Widertonmoos). Auch Ingo Wagner (ASCO-SONNEBERG - Monilinia) schreibt, dass „die in der Literatur oft erwähnte Standortangabe „an nassen Stellen im Torfmoos“ durchaus keine Bedingung darstellt. Ca. 5 verschiedene Funde … beschränkten sich auf heidelbeerbewachsene Böschungen, an denen man auch Pseudoplectania nigrella (Glänzender Schwarzborstling) hätte finden können“.
Heidelbeer-Fruchtbecherchen (Monilinia baccarum) am 10.03.2023 im Schwäbischen Wald nw. Eschach-Waldmannshofen (MTB 7025/3 - GPS ca.: N 48° 55' 5,11'' E 9° 51' 14,52''), 460 m NN, bewaldeter Hang zum Kochertal, in feuchter Partie von örtlich saurem, teils erfreulich nährstoffarmem Nadelmischwald (Buchen-Tannenwald mit Fichten), an Heidelbeer-Früchten vom Vorjahr, vergraben in dichtem Polster von Torfmoos (Sphagnum spec.), leg. Tobias Traulich bei Seminar von Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner) Gefunden wurden 3 (2+1) Fruchtkörper. Beachten Sie die tief urnenförmigen frischen Fruchtkörper und die mumifizierte Heidelbeere. |
Heidelbeer-Fruchtbecherchen (Monilinia baccarum) am 21.03.2024 im Schwäbischen Wald n. Ruppertshofen-Hönig ("Auerbachtal" - MTB 7024/4, 470 m NN, GPS ca.: N 48° 54' 11,26'' E 9° 48' 13,38'' ), in saurer, nährstoffarmer Partie von Nadelmischforst (Fichte, Tanne, Kiefer, Buche), 1 älterer Fruchtkörper auf mumifiuzierter Heidelbeere in dichtem Torfmoos-Rasen (nur Scheibe zu sehen), leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner. Beachten Sie das im Vergleich zur frischen Aufsammlung weiter geöffnete (kaum noch urnenförmige), düsterer gefärbte Apothezium. Am Stiel ist (oberes Foto) schon Schimmelpilz-Befall zu sehen (nicht untersucht). |
Heidelbeer-Fruchtbecherchen (Monilinia baccarum) am 02.05.2015 am "Ruckowies-Berg" ö. Zwieslerwaldhaus (Bayern, Nationalpark Bayerischer Wald unweit zu Grenze zu Tschechien), 1167 m NN, GPS nach Foto: N N49°6'5.81" E E13°16'47.06"), an vergrabenen, mumifizierten Heidelbeeren auf langen Stielen , in durch dicke, kürzlich geschmolzene Lage Schnee platt gedrücktem höherwüchstigem Mooslager mit (u.a.) Rhytidiadelphus loreus ("Riemenstängel-Kranzmoos") und Polytrichum formosum (Schönes Widertonmoos, Frauenhaarmoos), leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Fotos Lothar Krieglsteiner |
Heidelbeer-Fruchtbecherchen (Monilinia baccarum) am 12.04.2009 an der Eckertal-Sperre (Niedersachsen, Harz, s. Bad Harzburg, Foto ohne GPS-Daten.) an oberflächlich festgeklebter Heidelbeere an Böschung an Wegrand durch Fichtenwald auf saurem Urgesteinsboden, leg., det. Lothar Krieglsteiner bei Seminar mit Dieter Honstraß,, Foto Michael Finkeldey). Beachten Sie den angetrockneten Fruchtkörper in der lichten Moosflur.. Torfmoos ist an dem trockenen Standort nicht in der Nähe. |
Heidelbeer-Fruchtbecherchen (Monilinia baccarum) am 13.06.2015 im Nationalpark Fulufjellet (S-Norwegen an Grenze zu Schweden, Innlandet, Ljørdalen, Skåret - 751 m NN, GPS: N61°31'11.85" E12°32'52.43") an vergrabenen Früchten von Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) vergraben in Erde an saurem Wegrand durch nordischen, sauren Fichtenwald. Die Heidelbeeren verraten den trockenen Standort - von Torfmoos keine Spur. |
Nein – Torfmoos (Sphagnum spec.) bietet durch seine dicht rasig wachsenden, mit der Zeit lang werdenden Stämmchen ein Milieu, in dem abgefallene Heidelbeer-Früchte nach dem Abfallen über den Winter feucht liegen und so vom Pilz aufgeschlossen und konserviert werden können. Wo im Winter lange Schnee-Decken dies möglich machen, ist der Pilz im Vorteil (Funde in Norwegen und im Bayerischen Wald – dort nach Abtauen größerer Schneeblocks durch zusammengepresstes Moos wachsend gut erkennbar). Auch ist es so, dass sich der herausschauende Fruchtkörper (die Stiele sind stets im Moos eingesenkt und reichen bis zur Heidelbeere) in den optisch relativ homogenen Torfmoos-Polstern leichter entdecken lässt als anderswo. Die beiden Funde im Schwäbischen Wald gelangen beide in dichtem Wuchs von Sphagnum mit relativ kleinen Heidelbeerbüschen in noch relativ naturnah erhaltenen Bauernwäldern mit örtlich größeren Vernässungsbereichen mit Torfmoos in der Bodenschicht. ich bin schon gespannt, ob ich 2025 weitere Fundorte im Schwäbischen Wald und auf der Ostalb (dort gibt es laut pilze-deutschland Nachweise) entdecken kann.
Monilinia-Arten („Fruchtbecherlinge“) gehören zur Familie Sclerotiniaceae der Ordnung Helotiales – letztere umfasst den Löwenanteil dessen, was man unter dem Begriff „inoperculate Becherlinge“ zusammen fassen kann – solchen also, die ihre Sporen durch einen Porus aus dem Schlauch entlassen (dieser ist hier amyloid – vgl. Mikrofotos). Die Familie Sclerotiniaceae („Sklerotienbecherlings-Verwandte“) umfassen vor allem Parasiten an allerlei Pflanzen, die entweder reine Pilz-Sklerotien (wie Sclerotinia selbst mit dem Anemonen-Becherling S. tuberosa) oder „falsche“ Sklerotien unter Einschluss von Pflanzengewebe ausbilden oder auch „nur“ ihr Substrat durchwachsen und „sklerifizieren“ wie in unserem Falle bei Monlinia. Vielen bekannt dürfte auch sein, dass Fruchtbecherlinge auch Nebenfruchtformen (Anamorphen) ausbilden, die unter dem Namen Monilia bekannt sind und als Parasiten z.B. Schimmel und Fäule auf Nutzfrüchten (z.B. Kirschen, Äpfeln u.a.) verursachen. Meine Funde von M. baccarum betreffen alle die (sexuelle) Hauptfruchtform (Teleomorphe). Für die Familie Sclerotiniaceae ist ein besonderer Typus des Apikalapparates der Schläuche charakteristisch. Der Sclerotiniaceae-Typ sieht im optischen Schnitt oben und unten etwas angeschwollen aus (andere Typen sind der weit verbreitete Calycina-Typ (oben angeschwollen) und der Hymenoscyphus-Typ (im optischen Schnitt zwei Striche ohne Anschwellungen).
Heidelbeer-Fruchtbecherchen (Monilinia baccarum) am 10.03.2023 im Schwäbischen Wald nw. Eschach-Waldmannshofen (MTB 7025/3 - GPS ca.: N 48° 55' 5,11'' E 9° 51' 14,52''), 460 m NN, bewaldeter Hang zum Kochertal, in feuchter Partie von örtlich saurem, teils erfreulich nährstoffarmem Nadelmischwald (Buchen-Tannenwald mit Fichten), an Heidelbeer-Früchten vom Vorjahr, vergraben in dichtem Polster von Torfmoos (Sphagnum spec.), leg. Tobias Traulich bei Seminar von Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner) Gefunden wurden 3 (2+1) Fruchtkörper - von dieser Aufsammlung stammen alle Mikrofotos. Alle MIkrofotos in Wasser (auch Färbungen mit Lugolscher Lösung).. Beachten Sie in der Übersicht die breit zylindrischen Schläuche (Asci). |
Heidelbeer-Fruchtbecherchen (Monilinia baccarum) aus Waldmannshofen (Schwäbischer Wald, Baden-Württemberg - Funddaten s.o.). Beachten Sie den Schlauch mit oben 4 großen und unten 4 noch nicht ganz reifen kleinen Sporen. Die Mehrzahl der Schläuche hat diese Verteilung. |
Heidelbeer-Fruchtbecherchen (Monilinia baccarum) aus Waldmannshofen (Schwäbischer Wald, Baden-Württemberg - Funddaten s.o.).. Beachten Sie den oberen Schlauch mit oben 4 kleinen und unten 4 großen Sporen. Diese umgekehrte Verteilung tritt seltener auf, wurde aber an einigen Stellen gesehen. |
Heidelbeer-Fruchtbecherchen (Monilinia baccarum) aus Waldmannshofen (Schwäbischer Wald, Baden-Württemberg - Funddaten s.o.).- Beachten Sie die Spitzen der fast inhaltsleeren, fädigen bis schmalkeuligen Paraphysen. |
Heidelbeer-Fruchtbecherchen (Monilinia baccarum) aus Waldmannshofen (Schwäbischer Wald, Baden-Württemberg - Funddaten s.o.) - beachten Sie die großen und kleinen freien Sporen. |
Heidelbeer-Fruchtbecherchen (Monilinia baccarum) aus Waldmannshofen (Schwäbischer Wald, Baden-Württemberg - Funddaten s.o.). - beachten Sie den in Baralscher Lösung (konzentrierter Lugolscher Lösung) blau verfärbten Ascus-Porus vom Sclerotiniaceae-Typ. Hier erscheint der Apikalapparat im optischen Schnitt apikal und basal erweitert. Andere Typen sind der verbreitete Calycina-Typ und der Hymenoscyphus-Typ. |
Heidelbeer-Fruchtbecherchen (Monilinia baccarum) aus Waldmannshofen (Schwäbischer Wald, Baden-Württemberg - Funddaten s.o.) - Bei Becherlingen mit langen Schläuchen ist es oft nicht einfach, die Haken-Verhältnisse an der Basis passabel aufs Foto zu bekommen. Hier nur halbwegs gelungen im Lugol-Präparat. |
Heidelbeer-Fruchtbecherchen (Monilinia baccarum) aus Waldmannshofen (Schwäbischer Wald, Baden-Württemberg - Funddaten s.o.). - verschiedene Ansichten des Exzipulums (Gehäuses) im Schnitt. Die oberen Bilder zeigen eine dünne Auflage auf dem ektalen Exzipulum als schmalzellige textura porrecta - weiter innen sind die Zellen breiter und entsprechen textura prismatica. Das braune Pigment ist außen am stärksten. |
Der Heidelbeer-Fruchtbecherling (Monilinia baccarum) zeichnet sich unter den Gattungs-Genossen durch ein eigentümliches Alleinstellungs-Merkmal aus: in den Schläuchen werden 4 große und 4 kleine Sporen gebildet. Ob diese unterschiedliche Funktionen haben und/oder beide gleichartig zu Keimung und Reproduktion beitragen, ist zumindest mir nicht bekannt. Auf alle Fälle haben zwar andere Monilinia-Arten dieses Merkmal nicht (z.B. nicht M. urnula an Preiselbeeren – bei gemeinsamem Vorkommen von Heidel- und Preiselbeere gefundene Proben können schnell mikroskopisch zugeordnet werden), es taucht aber noch bei einer anderen mir bekannten sehr charakteristischen Art der Familie auf, bei dem „echten“ Sklerotienbecherling Sclerotinia trifoliorum („Klee-Sklerotienbecherling“). Diese Art hat hellere, flachere Becher, kleinere Sporen und ein anders aufgebautes Gehäuse (bei Monilinia baccarum: Exzipulum ectale textura porrecta, weiter innen prismatica – vgl. Mikrofotos). Auch 4sporige Schläuche (S. capillipes an Erlenlaub) sind in der Verwandtschaft bekannt. Etliche Monilinia-Arten infizieren Blüten mit ihren Ascosporen und mumifizieren die aus der Befruchtung resultierenden Beerenfrüchte, aus denen im nächsten Frühjahr dann wieder die Hauptfruchtform gebildet wird.
Nun hoffe ich, etwas Klarheit ins Gewirr von Monilinia und Monilia gebracht zu haben – hüten sollte man sich vor Versprechern zu Molinia – dann ist man nämlich beim Pfeifengras angelangt 😉
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Pilz des Monats März 2024 – Schildförmige Mehlscheibe oder Bergkiefern-Mehlscheibe (Aleurocystidiellum subcruentatum, auch bekannt als Aleurodiscus scutellatus)
Rindenpilze (corticioide Pilze, resupinate Basidiomyceten mit dem Fruchtkörpertyp des Crustotheciums) haben in meiner Beschäftigung mit den Pilzen deutlich an Wichtigkeit zugenommen – und nachdem ich solche Pilze viele Jahre lang entweder ignorierte oder Funde durch Spezialisten bestimmen ließ, habe ich in den letzten Jahren doch ziemlich aufgeholt und bin heute in der Lage, nicht unbedingt alle meine Funde in diesem Bereich, aber zumindest doch viele von ihnen selbständig zu bestimmen. So auch diesen Fund von unserer diesjährigen Exkursionsreise in die Slowakei, auf der es insgesamt nicht unbedingt hervorragendes Pilzwachstum gab und so alle Pilzgruppen angeschaut wurden. Bergkiefern-Gebüsche (Latschengebüsche – die Bergkiefer Pinus mugo hat verschiedene Unterarten) sind eine Angelegenheit von Gebirgslagen in der montanen und vor allem subalpinen Stufe, wo solche Gebüsche den Übergang vom Wald zu alpinen Vegetationstypen darstellen. Bergkiefer ist somit ein interessantes Substrat – und ich habe ja bereits einen Fund auf diesem Substrat aus der Hohen Tatra hier vorgestellt (Pilzkunde.de - Dr. Lothar und Katharina Krieglsteiner – Colpoma crispum - Krause Zweige-Spaltlippe - Seite 3).
Schildförmige Mehlscheibe (Bergkiefern-M. Aleurocystidiellum subcruentatum) am 29.06.2023 bei Strbske pleso in der Hohen Tatra (Slowakei), an stehendem Stämmchen von Pinus mugo in subalpinem Latschengebüsch, an 2 Stellen, GPS: N49°8'40.66" E20°2'22.59", ca. 1800 m NN, leg. Katharina & Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner |
Dieser Rindenpilz überraschte mich unter dem Mikroskop sofort durch seine sehr großen Sporen von grob ca. 15-20 µm Länge, die reichlich im Präparat zu finden waren. Die Idee, bei der Großgattung Aleurodiscus zu schauen und die Sporen daraufhin gleich einmal mit Melzers Reagens auf Amyloidität zu prüfen, war somit naheliegend – und so war auch die Bestimmung letztlich eine Frage weniger Minuten. Die recht wenig bekannte Art dürfte im Alpenraum und anderen Hochgebirgslagen Mitteleuropas weit verbreitet sein und besiedelt neben Pinus mugo gelegentlich auch andere Nadelholz-Substrate.
Schildförmige Mehlscheibe (Bergkiefern-M. Aleurocystidiellum subcruentatum) am 29.06.2023 bei Strbske pleso in der Hohen Tatra (Slowakei), an stehendem Stämmchen von Pinus mugo in subalpinem Latschengebüsch, an 2 Stellen, GPS: N49°8'40.66" E20°2'22.59", ca. 1800 m NN, leg. Katharina & Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner - Sporen in KOH wirken glatt und etwas dickwandig, auffällig durch ihre "schiere Größe" |
Schildförmige Mehlscheibe (Bergkiefern-M. Aleurocystidiellum subcruentatum) am 29.06.2023 bei Strbske pleso in der Hohen Tatra (Slowakei), an stehendem Stämmchen von Pinus mugo in subalpinem Latschengebüsch, an 2 Stellen, GPS: N49°8'40.66" E20°2'22.59", ca. 1800 m NN, leg. Katharina & Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner - nach Zugabe von Melzers Reagens sind die Sporen blau(violett) angefärbt, sind also (wie viele Russulales) deutlich amyloid, wirken aber großenteils immer noch glatt. |
Schildförmige Mehlscheibe (Bergkiefern-M. Aleurocystidiellum subcruentatum) am 29.06.2023 bei Strbske pleso in der Hohen Tatra (Slowakei), an stehendem Stämmchen von Pinus mugo in subalpinem Latschengebüsch, an 2 Stellen, GPS: N49°8'40.66" E20°2'22.59", ca. 1800 m NN, leg. Katharina & Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner - nur wenige Sporen in mehreren Präparaten zeigen das bei Reife typische warzige Ornament, sichtbar erst in Melzers Reagens. |
Schildförmige Mehlscheibe (Bergkiefern-M. Aleurocystidiellum subcruentatum) am 29.06.2023 bei Strbske pleso in der Hohen Tatra (Slowakei), an stehendem Stämmchen von Pinus mugo in subalpinem Latschengebüsch, an 2 Stellen, GPS: N49°8'40.66" E20°2'22.59", ca. 1800 m NN, leg. Katharina & Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner - beachten Sie den deutlichen Apiculus (Appendix) an der glatt wirkenden, amyloiden Spore. Dieser zeigt die Stelle, wo die Spore am Sterigma (des 4-sporigen Ständers, s.u.) ansaß und wo der Tropfen den Abschuss der Spore bewirkte. |
Schildförmige Mehlscheibe (Bergkiefern-M. Aleurocystidiellum subcruentatum) am 29.06.2023 bei Strbske pleso in der Hohen Tatra (Slowakei), an stehendem Stämmchen von Pinus mugo in subalpinem Latschengebüsch, an 2 Stellen, GPS: N49°8'40.66" E20°2'22.59", ca. 1800 m NN, leg. Katharina & Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner - das Foto zeigt die inkrustierten und dickwandigen Skeletozystiden, die im Schnitt-Präparat nicht schwer zu finden sind (erstes Foto in KOH, zweites mit Melzers Reagens) |
Schildförmige Mehlscheibe (Bergkiefern-M. Aleurocystidiellum subcruentatum) am 29.06.2023 bei Strbske pleso in der Hohen Tatra (Slowakei), an stehendem Stämmchen von Pinus mugo in subalpinem Latschengebüsch, an 2 Stellen, GPS: N49°8'40.66" E20°2'22.59", ca. 1800 m NN, leg. Katharina & Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner - das Foto zeigt die obere Hälfte einer Basidie (Ständer) mit 4 Sporen. Nicht im Foto und nicht immer leicht ins Bild zu bekommen ist die basale Schnalle. Auf sie können wir hier aber bei der Diagnose auch verzichten :-) |
Schildförmige Mehlscheibe (Bergkiefern-M. Aleurocystidiellum subcruentatum) am 29.06.2023 bei Strbske pleso in der Hohen Tatra (Slowakei), an stehendem Stämmchen von Pinus mugo in subalpinem Latschengebüsch, an 2 Stellen, GPS: N49°8'40.66" E20°2'22.59", ca. 1800 m NN, leg. Katharina & Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner - Scan einer Zeichnung von Dr. Hanna Maser (verstorben 2010) eines Fundes von Karl Neff aus Oberkochen (verstorben seit ?) aus den Berchtesgadener Alpen, ebenfalls an Pinus mugo (Latschenkiefer). Wie bei meinem Fund war das Auffinden des Sporen-Ornamentes nicht so einfach. |
Einziges Problem bei der korrekten Bestimmung war die Tatsache, dass die Sporen ornamentiert sein sollten und ich zunächst ganz lange nur glatte Sporen fand, bevor schließlich in weiteren Präparaten einzelne warzig-ornamentierte entdeckt werden konnten. Der Vergleich der Analyse von Frau Dr. Maser (letztes Foto in der Tabelle unten) eines Fundes von Karl Neff (Arbeitsgemeinschaft Mykologie Ostwürttemberg) aus den Berchtesgadener Alpen zeigt aber, dass die 2010 verstorbene Grand Madame der süddeutschen Rindenpilzkunde ebenfalls mit diesem Merkmal ihre Schwierigkeiten hatte, sie schreibt „Sporen glatt, …, in einem älteren Frk. Sporen zum Teil glatt, z.T. fein warzig in Melzer“. Damit sind dann alle Zweifel beseitigt.
Pilz des Monats Februar 2024 – Orangeseidiger Klumpfuß (Cortinarius rufoallutus – neuerdings auch Thaxterogaster rufoallutus)
Thaxterogaster …. – nun ja, an solche und andere neue Namen wird man sich in der Zukunft auch im Bereich der Schleierlinge gewöhnen müssen. Die Mega-Gattung Cortinarius wird derzeit in ihre Einzelteile zerlegt, teils gemischt mit gasteroiden Arten (secotioide und trüffel-artige Pilze), deren Namen wie im Falle von Thaxterogaster dann teils sogar als Gattungsnamen für in der Mehheit ganz normale Schleierlinge dienen dürfen. Nichts Neues insofern, da es auch in anderen Pilzgruppen ganz ähnliche Entwicklungen gegeben hat und weiterhin geben wird. Trotzdem bleibe ich im Falle von Cortinarius vorerst konservativ und nenne alle Schleierlinge vorerst weiter mit dem alten Gattungsnamen, denn noch scheint die Neuordnung nicht abgeschlossen zu sein und es schadet meiner Meinung nach nicht, vorerst noch abzuwarten.
Die heute vorgestellte Art hätte man bis vor Kurzem noch als „normalen“ Sägeblatt-Klumpfuß (Cortinarius multiformis) oder als dessen Variante coniferarum (heute ein Synonym wie der alte Name C. allutus) bestimmen müssen, denn die aktuell maßgebliche Bearbeitung der Sektion Multiformes erfolgte erst 2014 (Brandrud & al.: Cortinarius subgenus Phlegmacium section Multiformes in Europe, Journal des J.E.C. No. 16., S. 62 – 199). Ein Klumpfuß ohne gelb-grüne oder violette Farbtöne und mit den typisch gesägten Lamellenschneiden ist in der Artengruppe multiformis schnell untergebracht.
Orangeseidiger Klumpfuß (Cortinarius rufoallutus - jetzt auch Thaxterogaster rufoalltutus) am 31.10.2021 im Leintal bei der Leinmühle s.Spraitbach (Deutschland, Baden-Württemberg n. Schwäbisch Gmünd, Schwäbisch-Fränkischer Wald, MTB 7124.2, 443 m NN, GPS: N48° 51' 15,28'' E9° 45' 52,53'' ), unter Fichte (Picea abies), Weißtanne (Abies alba) und weiter weg auch Buche (Fagus sylvatica) in paenemontanem Nadelmischwald über basenreichem Knollenmergel, gesellig, leg. Pilzkurs mit Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner - beachten Sie die kräftige Hutfarbe, den kurzen, gedrungenen Stiel sowie die weißliche Farbe von Fleisch, Stiel und Cortina. |
Orangeseidiger Klumpfuß (Cortinarius rufoallutus - jetzt auch Thaxterogaster rufoalltutus) am 31.10.2021 im Leintal bei der Leinmühle s.Spraitbach (Deutschland, Baden-Württemberg n. Schwäbisch Gmünd, Schwäbisch-Fränkischer Wald, MTB 7124.2, 443 m NN, GPS: N48° 51' 15,28'' E9° 45' 52,53'' ), unter Fichte (Picea abies), Weißtanne (Abies alba) und weiter weg auch Buche (Fagus sylvatica) in paenemontanem Nadelmischwald über basenreichem Knollenmergel, gesellig, leg. Pilzkurs mit Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner - beachten Sie in Foto 3 die hellen Flecken auf der Huthaut, in Foto 4 die gesägten Schneiden der farbarmen Lamellen. Ersteres ist ein Artmerkmal, zweiteres ein Merkmal der Artengruppe. |
Orangeseidiger Klumpfuß (Cortinarius rufoallutus - jetzt auch Thaxterogaster rufoalltutus) am 31.10.2021 im Leintal bei der Leinmühle s.Spraitbach (Deutschland, Baden-Württemberg n. Schwäbisch Gmünd, Schwäbisch-Fränkischer Wald, MTB 7124.2, 443 m NN, GPS: N48° 51' 15,28'' E9° 45' 52,53'' ), unter Fichte (Picea abies), Weißtanne (Abies alba) und weiter weg auch Buche (Fagus sylvatica) in paenemontanem Nadelmischwald über basenreichem Knollenmergel, gesellig, leg. Pilzkurs mit Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner - Beide Fotos zeigen den gleichen Ausschnitt und focussieren auf die fein warzigen Sporen von ca. 8-9l5/5-5,5 µm Größe. Das erste Foto iversucht, auf die Sporenwand im optischen Schnitt zu focussieren - das zweite ist ein Stack mithilfe des BMS-Mikroskop-Programmes. |
Orangeseidiger Klumpfuß (Cortinarius rufoallutus - jetzt auch Thaxterogaster rufoalltutus) am 31.10.2021 im Leintal bei der Leinmühle s.Spraitbach (Deutschland, Baden-Württemberg n. Schwäbisch Gmünd, Schwäbisch-Fränkischer Wald, MTB 7124.2, 443 m NN, GPS: N48° 51' 15,28'' E9° 45' 52,53'' ), unter Fichte (Picea abies), Weißtanne (Abies alba) und weiter weg auch Buche (Fagus sylvatica) in paenemontanem Nadelmischwald über basenreichem Knollenmergel, gesellig, leg. Pilzkurs mit Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner - die Huthautschnitte (zunächst eine Übersicht in 400x-Vergrößerung, dann 1000x) zeigen das zebra-artig spiralig inkrustierende Pigment auf einigen Hyphen der Subcutis sowie in den mittleren beiden Fotos jeweils eine der zahlreichen zu beobachtenden Schnallen. |
Als ich die oben zitierte Arbeit vor einigen Tagen heranzog, um eine Probe aus einem Nadelmischwald im Schwäbischen Wald (Baden-Württemberg) zu bestimmen, war ich durchaus skeptisch, ob die neue Bearbeitung zum Ziel führen würde, denn durchaus oft kommt man gerade in schwierigen Gattungen wie Cortinarius auch mit neuen Bearbeitungen nicht unbedingt immer sicher zum Ziel. Diese Probe ließ sich allerdings erstaunlich problemlos zuordnen. Durch die kräftigen Farben, die Ökologie im Nadelwald (nun ja – Buchen gab es auch in Fundortnähe, aber die Laubwaldarten sollen alle heller gefärbt sein …) und die Sporengröße kommt man gut zum Schlüsselpaar mit der Zielart. Und dann hat C. rufoallutus zwar die gleiche Sporengröße (übrigens ermittelte ich in seltener Eintracht genau die bei Brandrud & al. Angegebenen Werte!) wie C. mutliformis (letztere soll blasser sein und längere Stiele haben), aber es gibt ein schönes differenzierendes Merkmal, und zwar bei C. rufoallutus zebra-artig inkrustierendes Pigment in der Subcutis der Huthaut. Schnell ein Huthautschnitt und – holla, die Waldfee: tatsächlich, das Pigment ließ sich erstaunlich schnell und problemlos nachweisen. Alles passt also zusammen.
Wie selten oder häufig C. rufoallutus „bei uns“ ist, lässt sich derzeit kaum sagen, denn bisher wurde die Art sicherlich meist (auch von mir) als C. multiformis (oder früher als C. allutus) bestimmt. Brandrud & al. schreiben zur Verbreitung: „Rare but widespread in the Nordic boreal spruce forest region. Apparently very rare in the montane-subalpine regions of Cental Europe but sequenced material is documented from France (holotype) and from Italy“. Deutschland wird als Fundregion nicht erwähnt und Nachschlagen auf pilze-deutschland brachte (unter Thaxterogaster rufoallutus) zwar eine Karte, aber ohne darin enthaltene Fundpunkte. Dennoch wäre ich vorsichtig, von einem Neufund für Deutschland zu sprechen, denn erstens melden nicht alle Bearbeiter ihre Funde (ich z.B. auch nicht …), und außerdem könnte es gut sein, dass in den Herbarien (womöglich gar unter meinen eigenen älteren Aufsammlungen) Kollektionen von C. rufoallutus unter multiformis oder allutus liegen könnten. Das ist die Crux mit der Pilze-Bestimmung: man muss seine alten Fehlbestimmungen immer und immer wieder hinterfragen …. ;-(
Nun: die vorgestellte Aufsammlung betrachte ich allerdings derzeit als eindeutig C. rufoallutus (bzw. Thaxterogaster r.). Es passt einfach alles: Ökologie, makroskopische Merkmale (orange Hutfarbton, Flecken auf dem Hut, kurzer Stiel, Sporengröße und vor allem das zebra-artige inkrustierende Pigment inder Subcutis).
Pilz des Monats Januar 2024 – Scharfer Brauntäubling (Russula adulterina)
Fast 10 Jahre ist es bereits her, dass ich zum ersten und bisher einzigen Mal einen Täubling zum Pilz des Monats auswählte – damals im Juli 2014 war dies der Erlen-Täubling (Russula alnetorum). Die lange Pause könnte daran liegen, dass Russula nicht meine Lieblingsgattung ist, wenn es um Pilz-Mikroskpie geht. Hin und wieder arbeite ich daran, das zu ändern. Einen meiner Versuche habe ich heute herausgesucht.
Der Fund gelang „zuhause“ im Schwäbischen Wald (Baden-Wrttemberg, n. Schwäbisch Gmünd) in einem paenemontanen Nadelmischwald (potenziell Tannen-Buchenwald mit forstlich eingebrachten Fichten) über basenreichem Standort. Die bereits im August 2021 bei Tanau (Gemeinde Durlangen) gefundenen Fruchtkörper erinnerten makroskopisch stark an Formen des Braunen Ledertäublings (Russula integra) – die Zungenprobe ergab aber schnell einen deutlich scharfen Geschmack.
Mikroskopisch besonders auffällig waren für mich die stark und lang ornamentierten, großen Sporen – allein damit kam ich nach Literaturvergleich bald zu R. adulterina. Die Bestimmung wurde inzwischen auch von Felix Hampe anhand von Bildvergleich bestätigt. Dies ist nicht unnötig, denn – scharfe Dottersporer sind in der Gattung Russula nicht die einfachste Gruppe und so mancher Artname (so auch R. adulterina) wurde von unterschiedlichen Autoren unterschiedlich interpretiert. Zumindest nach der momentan in Mitteleuropa hauptsächlich genutzten Literatur (Einhellinger 1985 und Marxmüller 2014) sollte die Bestimmung korrekt sein. Die PIleozystiden waren bei meinem Fund keulig und oft mehrfach septiert. Sie sind hier in KOH mikroskopiert worden (und somit wie unter Russula-Bearbeitern üblich in totem Zustand beurteilt). Die lebend durchaus strukturiert-„körnigen“ Inhalte der Gloeozystiden werden durch das Absterben zum typischen „Glasbruch“ der Täublings-Zystiden. Die Huthaut-Haare sind oft verzweigt und teils etwas divertikuliert. Die Sporenfotos sind natürlich angefärbt, und zwar wie üblich mit Melzers Reagenz – nur in diesem Medium sind die Sporen-Ornamente der Täublinge gut zu beurteilen.
Der Fund bei Tanau hat eine wenig aussagekräftige, mehr braune Hutfarbe und kann als Blässling interpretiert werden, wie sie verschiedenste ansonsten deutlicher – im Falle von R. adulterina typischer Weise dunkler purpurbraun – gefärbte Täublinge haben können. Wie ich immer bei Kursen sage: Hut- und auch Stielfarben sind bei Täublingen zwar durchaus sehr wichtige Merkmale, aber auf der anderen Seite sehr wenig verlässlich. Das führt dazu, dass in manchen Gruppen der Gattung Bestimmungen ohne Mikroskopie nur sehr erfahrenen Kennern mit Abstrichen möglich sind, zu denen ich mich nicht zähle.
Scharfer Brauntäubling (Russula adulterina) am 30.08.2021 in der "Spitzhalde" bei Tanau (Welzheimer Wald als Teil des Schwäbisch-Fränkischen Waldes, bei Durlangen, n. Schwäbisch Gmünd, Ostalbkreis, Baden-Württemberg) unter Tanne (Abies alba) sowie weiter weg auch Fichte (Picea abies) und Buche in paenemontanem Nadelmischwald über (kalkhaltigem) Knollenmergel (Keuper), 502 m NN, GPS: N48° 52' 28,71'' E9° 47' 36,83'' (ca. - Foto ohne GPS-Daten), leg., Katharina & Lothar Krieglsteiner, det.., Fotos Lothar Krieglsteiner, conf. Felix Hampe im August 2023 anhand von Fotomaterial. - Beachten Sie die unscheinbar braune Hutfarbe, wie sie als Pigmentverlust-Variante gedeutet werden kann. |
Scharfer Brauntäubling (Russula adulterina) am 30.08.2021 in der "Spitzhalde" bei Tanau (Welzheimer Wald als Teil des Schwäbisch-Fränkischen Waldes, bei Durlangen, n. Schwäbisch Gmünd, Ostalbkreis, Baden-Württemberg) unter Tanne (Abies alba) sowie weiter weg auch Fichte (Picea abies) und Buche in paenemontanem Nadelmischwald über (kalkhaltigem) Knollenmergel (Keuper), 502 m NN, GPS: N48° 52' 28,71'' E9° 47' 36,83'' (ca. - Foto ohne GPS-Daten), leg., Katharina & Lothar Krieglsteiner, det.., Fotos Lothar Krieglsteiner, conf. Felix Hampe im August 2023 anhand von Fotomaterial. - das Sporenpulver ist an der dunkelsten Kante der Gattung Russula, dottergelb schon mit einem Zug ins Orange (IVe). Dunkler geht es in Europa nicht. |
Scharfer Brauntäubling (Russula adulterina) am 30.08.2021 in der "Spitzhalde" bei Tanau (Welzheimer Wald als Teil des Schwäbisch-Fränkischen Waldes, bei Durlangen, n. Schwäbisch Gmünd, Ostalbkreis, Baden-Württemberg) unter Tanne (Abies alba) sowie weiter weg auch Fichte (Picea abies) und Buche in paenemontanem Nadelmischwald über (kalkhaltigem) Knollenmergel (Keuper), 502 m NN, GPS: N48° 52' 28,71'' E9° 47' 36,83'' (ca. - Foto ohne GPS-Daten), leg., Katharina & Lothar Krieglsteiner, det.., Fotos Lothar Krieglsteiner, conf. Felix Hampe im August 2023 anhand von Fotomaterial. - beachten Sie das kräftige, bis gut 2 µm lange Sporen-Ornament aus isolierten Stacheln. Die Sporengröße selbst maß ich mit beachtlichen ca. 9,5-12/8,5-10,5 µm. |
Scharfer Brauntäubling (Russula adulterina) am 30.08.2021 in der "Spitzhalde" bei Tanau (Welzheimer Wald als Teil des Schwäbisch-Fränkischen Waldes, bei Durlangen, n. Schwäbisch Gmünd, Ostalbkreis, Baden-Württemberg) unter Tanne (Abies alba) sowie weiter weg auch Fichte (Picea abies) und Buche in paenemontanem Nadelmischwald über (kalkhaltigem) Knollenmergel (Keuper), 502 m NN, GPS: N48° 52' 28,71'' E9° 47' 36,83'' (ca. - Foto ohne GPS-Daten), leg., Katharina & Lothar Krieglsteiner, det.., Fotos Lothar Krieglsteiner, conf. Felix Hampe im August 2023 anhand von Fotomaterial. - die Mikroskopie der Huthaut zeigt zum Einen keulige, aber auch zylindrische, teils mehrfach septierte Pileozystiden (alle in totem Zustand) sowie feingliedrige, verzweigte und teils leicht divertikulierte "Haare" (wie die Grundhyphen des Täublingshutes genannt werden). |
R. adulterina gilt als relativ seltene Art, besonders in tiefer gelegenen Regionen und stellt für den Schwäbisch-Fränkischen Wald einen interessanten Nachweis dar. Die Art scheint ist insgesamt eher montan verbreitet, gilt als Art der Gebirglagen in Nadelwald (Fichte Picea abies sowie Tanne Abies alba) auf basenreichem Standort. Ob am Fundort bei Tanau Tanne oder Fichte Mykorrhizapartner ist, kann von mir nicht geklärt werden. Ob sich das Vorkommen bei Tanau im Zuge des Klimawandels halten kann, ist ebenso offen.